Eine Nichtentschuldigung Yoons, neue Details zum gescheiterten Putschversuch und die Rolle der Massenmedien. Ein Überblick über die Ereignisse zwischen dem 12. und 14. Dezember wenige Stunden vor dem zweiten Versuch der Amtsenthebung Präsident Yoon Seok-yols.
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Yoons Nichtentschuldigung
In einer knapp dreißigminütigen Videoansprache trat Präsident Yoon am 12. Dezember vor die Kameras, um seine Sicht auf die Dinge darzulegen. Wer sich eine Entschuldigung oder gar Reue erwartet hatte, wurde enttäuscht. In internationalen Medien wurde vor allem jener Teil berichtet, in der Yoon ankündigte, gegen eventuelle Untersuchungen und einer drohenden Amtsenthebung "bis zum Ende kämpfen" zu wollen.
Doch Yoons Rede strotze nur so vor Attacken auf die Demokratische Partei (DP), die er wiederholt als "riesige Oppositionspartei" bezeichnete. Yoon zu Folge würde die DP seine Autorität als Präsident nicht anerkennen und seine Politik seit Amtsantritt konstant sabotieren. Das Parlament habe sich dem Präsidenten unterzuordnen und oktroyiere mit seinem Verhalten die Ausübung der Staatsgeschäfte. Kein Wort von Yoons eigener Vetopolitik gegenüber DP-Gesetzesvorschlägen (wie in einem anderen Beitrag geschildert).
Ferner wiederholte Anschuldigungen, wonach die Parlamentswahl 2024 nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Die Nationale Wahlkommission sei von Nordkoreanern gehackt worden (eine Anschuldigung, an der etwas dran ist) und den Resultaten der Wahl nicht zu trauen (eine Anschuldigung, die die Kommission vehement verneint).
Dazu kam eine für die koreanische Rechte übliche Taktik: Nordkoreanische und chinesische Spione würden die nationale Sicherheit gefährden und die DP sei keine Partei Südkoreas, sondern eine Organisation nordkoreanischem Einflusses. Und Drogen würden die südkoreanische Gesellschaft zersetzen.
Die Verhängung des Kriegsrechts sei angesichts dieser Umstände notwendig geworden und würde, wie auch in internationalen Medien berichtet, der präsidentiellen Ausführung von Staatsgeschäften gleichkommen. Wenn irgendwer sich des Aufruhrs schuldig gemacht hätte, dann die DP, die er wieder als "anti-staatliche Kräfte, welche die Republik Korea zersetzen würden" bezeichnete.
Von Einsicht also keine Spur.
Die Reaktion der südkoreanischen Gesellschaft - Yoons Popularität sank in einer jüngsten Umfrage auf 11% - lässt sich gut mit einem Bild zusammenzufassen, in dem ein Fernsehzuseher als Reaktion auf diese Rede eine Flasche Soju gen Yoon zu werfen scheint.
Quelle: Facebook.
Neue Erkenntnisse
Unten die wichtigsten neuen Erkenntnisse dieser Tage zusammengefasst.
Abgesehen von progressiven Medien wie Hankyoreh oder Kyunghyang sinmun, wie nehmen eigentlich konservativ ausgerichtete Tageszeitungen diese Tage wahr? Das folgende ist keine detaillierte Analyse, sondern lediglich eine Bestandsaufnahme.
Die Joongang ilbo berichtete in ihrer Ausgabe vom 13. Dezember auf dem Titelblatt, dass Yoon auch angeordnet habe, jene Richter verhaften zu lassen, der vor einigen Wochen Oppositionsführer Lee Jae-myung vom Vorwurf der Wahlbeeinflussung freigesprochen hat. Dies wurde umgehend vom Obersten Gerichtshof als illegale Einmischung in die Judikative aufs allerschärfste verurteilt - eine Entwicklung die wenig gutes für Yoon im Falle eines droheneden Amtsenthebungsverfahren bedeutet.
Das Titelblatt der Joongang Ilbo vom 13. Dezember 2024. Die Überschrift: "Richter, die Lee Jae-myung freisprachen sollte ebenfalls verhaftet werden."
Joongang ilbo berichtete weiterhin, wonach Yoon fest zu glauben scheint, dass das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2022 um über 10% gefälscht wurde.
Die Tonga ilbo, eine ebenfalls konservative Zeitung die 2004 wesentlich für den Aufstieg der Neuen Rechten und den späteren Rückeroberung des Präsidentenamts durch Lee Myung-bak verantwortlich war, verurteilt Yoons Rede in einem Leitartikel aufs allerschärfste.
Selbst die Chosun ilbo, die größte Tageszeitung des Landes und das Sprachrohr des rechten Lagers, stellte in einem Faktencheck die meisten von Yoons Aussagen als Lügen dar, fordert aber noch nicht explizit die sofortige Amtsenthebung Yoons in ihren Leitartikeln.
Die DP ihrerseits präsentierte am 13. Dezember Dokumente, die beweisen sollten, dass Yoon tatsächlich eine zweite Verhängung des Kriegsrechts geplant habe.
Auch wurde bekannt, dass Yoon wohl nicht nur den Fernsehsender MBC, sondern auch noch andere Medien besetzen wollte.
Demonstrationen für eine Amtsenthebung finden mittlerweile im ganzen Land täglich statt, auch in sonst stark konservativen Regionen wie z.B. der Stadt Taegu.
Kim Sang-uk, jener PP-Abgeordnete, der bei der ersten Abstimmung am 7. Dezember als erster (abgesehen von Ahn Cheol-suu) mit der Parteilinie brach, initiierte in der Zwischenzeit eine Einpersonendemonstration vor dem Parlament, die eine weitere Realitätsverweigerung den Sargnagel für das konservative Lager und die PP bedeuten würde.
Vorm Parlament in Seoul werden am 14. Dezember über 1 Million Demonstranten erwartet.
Für die heutige Abstimmung hat die PP angekündigt, nicht nur teilzunehmen, sondern den Abgeordneten freie Wahl in ihrem Urteil zu geben. Eine Amtsenthebung ist damit, drei Stunden vor der Abstimmung, sehr wahrscheinlich.
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Update (11. Dezember 17:30 Uhr JCT): Der Antrag wurde angenommen. Mehr dazu in einem neuen Artikel.
(Patrick Vierthaler. Assistenzprofessor für koreanische Zeitgeschichte am Hakubi Center / Institute for Research in Humanities, Universität Kyoto, Japan. Forschungsfeld: Südkoreas Umgang mit seiner autokratischen Vergangenheit, Medien und Kollektives Gedächtnis. www.pvierthaler.com)
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